Offener Brief an Ministerpräsident Haseloff zur Krise in der Eingliederungshilfe
Die Petition Krise in der Eingliederungshilfe in Leichter Sprache
Offener Brief der LIGA der Freien Wohlfahrtspflege im Land Sachsen-Anhalt und der Landesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen als pdf
Offener Brief an den Ministerpräsidenten zur Krisensituation in der Eingliederungshilfe (330,0 KiB)
Online-Petition Eingliederungshilfe
In dieser PETITION können Sie Ihre Unterstützung leisten: Jetzt unterzeichnen!
Der offene Brief an Ministerpräsident Haseloff in Leichter Sprache
Wortlaut
Offener Brief: Aktuelle Krisensituation Eingliederungshilfe
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Dr. Haseloff,
der Landesrahmenvertrag (LRV) der Eingliederungshilfe wurde seitens des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung (MASGG) mit der Begründung gekündigt, dass bei einer Neuverhandlung die Ziele des BTHG und der UN-Behindertenrechts-konvention besser umgesetzt werden können. Mit einer Deinstitutionalisierungsstrategie würde beabsichtigt, die Selbstbestimmung und Teilhabe zu stärken, insbesondere solle die Ambulantisierungsquote verbessert und die Vermittlungsquoten im Bereich der Werkstätten für Menschen mit Behinderung erhöht werden. Für Menschen mit Behinderungen ändere sich gemäß der Erklärung des MASGG ausdrücklich ab dem 01.01.2025 nichts, sie erhielten weiter Hilfe und Unterstützung. Entsprechende Verhandlungen fanden seither in der „GK 131“ statt. Wir hatten parallel immer wieder darauf hingewiesen, dass die Zeitschiene nicht ausreiche, um die genannten Ziele zu bearbeiten und zu erreichen.
Wir befinden uns jetzt in der prekären Situation, in der völlig unklar ist, auf welcher Leistungs- und Vergütungsbasis die Hilfen für Menschen mit Behinderungen ab dem 01.01.2025 erbracht werden sollen. Während in der Sitzung des „GK 131-Ausschusses“ am 03.09.2024 noch in Aussicht gestellt wurde, die Vergütungsverhandlung der Entgelte ab dem 01.01.2025 auf Basis des bisherigen methodischen Ansatzes (Differenzmethode) zur Anwendung kommen zu lassen und parallel den LRV weiter zu bearbeiten, wurde in der Sitzung am 10.09.2024 wiederum das Ziel erklärt, für 2025 neue Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen bereits auf Basis eines neuen Leistungssystems (Module) abzuschließen. Jedoch liegen bislang weder die dafür erforderlichen Leistungsinhalte noch Kalkulationsgrundlagen vor.
Nunmehr wurden in der Sitzung des „GK-Ausschusses“ vom 24.09.2024 Personalrichtwerte vorgelegt, die zu unserem Entsetzen eine Personalreduzierung in den unterschiedlichen Leistungsbereichen von 30 % - 60 % bedeuten würde. Soweit diese Personalrichtwerte in dieser Form Eingang in die Verordnung finden, führt dies unweigerlich zu massiven Leistungsreduzierungen für Menschen mit Behinderung und zugleich zu Personalfreisetzungen. Zudem ist bisher völlig unklar, wie damit die Zielstellung des Landes, individuellere Leistungen für Menschen mit Behinderungen anzubieten, gelingen soll. Es ist offen, welche Leistung dafür zu erbringen ist. Da die Leistungsinhalte grundsätzlich keine Änderungen erfahren sollen, wäre dies aber mit hälftigem Personal absurd zu gewährleisten.
Dementsprechend laut war die Empörung seitens der Menschen mit Behinderung, der Beschäftigten, der Trägerverbände und der Einrichtungen auf dem Protesttag „Stoppt den Sozialabbau in der Eingliederungshilfe“ am 24.10.2024 auf dem Magdeburger Domplatz. Frau Ministerin Petra Grimm-Benne hat auf dem Protesttag öffentlich verkündet, dass die Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen auch über den 01.01.2025 hinaus fortgelten werden und Tariferhöhungen beim Personal Berücksichtigung finden. Dies sehen wir als verbindlich an.
Wir erklären hiermit, dass
- es absolut nicht nachvollziehbar ist, wie ohne jegliche Leistungsinhalte Personalmengen definiert werden können,
- es weder nachvollziehbar noch plausibel ist, wie die erklärten Ziele des Landes Sachsen-Anhalt mit diesen Personalrichtwerten umgesetzt werden sollen, da sie sogar im Widerspruch zur Zielstellung stehen,
- dieses Angebot völlig inakzeptabel ist und zudem einen Eingriff in die bestehenden Teilhaberechte von Menschen mit Behinderungen darstellt, deren Situation sich durch die Kündigung des LRV ja gerade verbessern sollte.
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Dr. Haseloff,
wir möchten hiermit, wie in der Vergangenheit auch, in aller Deutlichkeit zum Ausdruck bringen, dass wir ein hohes Interesse an den Verhandlungen zur Neuausrichtung des Landesrahmenvertrages haben und an der Entwicklung und Umsetzung der Deinstitutionalisierungsstrategie gestaltend mitarbeiten werden. Jedoch sind hierzu gemeinsam entsprechende Voraussetzungen zu schaffen.
Es verstetigt sich aufgrund des Verhandlungsgeschehens massiv der Eindruck, dass es nicht um die Weiterentwicklung des LRV, sondern schlicht um Kosten- und Leistungskürzungen zu Lasten der Menschen mit Behinderungen geht. Zudem sorgt dieses Vorgehen für eine unverantwortliche Verunsicherung der Beschäftigten im Arbeitsfeld der Eingliederungshilfe.
Wir fordern deshalb,
- zur Sicherstellung der Unterstützung von Menschen mit Behinderungen kurzfristig Planungssicherheit ab dem 01.01.2025 herzustellen, die verwaltungs- und schiedsstellenschonend die Leistungs- und Vergütungssicherheit unter Berücksichtigung der Tarifsteigerungen garantiert,
- parallel die Verhandlungen zur Neuausrichtung des Landesrahmenvertrages in der Form fortzusetzen, dass die zuvor durch das Sozialministerium öffentlich erklärten Ziele auch tatsächlich untermauert werden. Dazu gehört zwingend, rechtlich und politisch die Voraussetzungen zu schaffen und die Abkehr von bisherigen Strukturen in kurz-, mittel- und langfristige Prozessschritte zu gliedern.
Wir stehen jederzeit für die notwendige Gestaltung der Prozesse der Transformation und damit verbundener Organisationsentwicklung zur Verfügung. Wir werden jedoch eine
Leistungskürzung zu Lasten der Menschen mit Behinderung und damit einhergehend Verschlechterung ihrer Teilhabechancen nicht hinnehmen. Wir können eine verantwortungsvolle Leistungserbringung, deren Sicherstellung eine Pflichtaufgabe des Landes ist, nur dann wahrnehmen, wenn auch die Rahmenbedingungen verantwortungsvoll und planbar und im Interesse und nach den Bedarfen und Bedürfnissen der Menschen mit Behinderung sowie der die Unterstützung anbietenden Leistungserbringer gestaltet werden.
Wir bitten Sie dringend um ein Krisengespräch.
Weitere Beiträge, die Sie interessieren könnten
Offener Brief an Ministerpräsident Haseloff zur Krise in der Eingliederungshilfe
Um Menschen mit Behinderungen eine unabhängige Lebensführung und volle Teilhabe in allen Lebensbereichen zu ermöglichen, müssen entsprechende Rahmenbedingungen geschaffen bzw. aufrechterhalten werden. Nach der Kündigung des Landesrahmenvertrages der Eingliederunghilfe durch das Landessozialministerium haben wir am 8. November einen „Offener Brief“ an Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff auf den Weg gebracht. Der Brief soll die problematische und kritische Situation aller Betroffenen zum Ausdruck bringen.