Geplante Kürzungen im Bundeshaushalt gefährden Freiwilligenplätze
Bezogen auf Sachsen-Anhalt könnten das bis zu 250 Stellen sein. Das bedeutet konkret, das deutlich weniger Freiwillige in Kitas, Schulen, bei der Tafel oder in der Pflege zusätzliche Unterstützung leisten können. Dabei ermöglichen gerade diese Praxiseinblicke den Freiwilligen wichtige Erfahrungen zu sammeln, sich gesellschaftlich einzubringen, Verantwortung zu übernehmen oder Orientierung für die Entscheidung zur Berufswahl zu erhalten. Zahlreiche Einsatzstellen würden den Kontakt zu dringend benötigten potentiellen Nachwuchskräften verlieren.
„Die Freiwilligendienste haben einen enormen Rückhalt in der Gesellschaft. Sie brauchen deshalb eine klare Stärkung und keine Streichung. Die Diskussionen um das Gesellschaftsjahr oder den Pflichtdienst ignorieren das vorhandene Erfolgsmodell der Freiwilligendienste. Für eine Kultur selbstverständlicher Freiwilligkeit unterstützen wir deshalb die Forderung nach einem Rechtsanspruch auf einen Freiwilligendienst. Das bedeutet, dass jede Person, die es möchte, sich freiwillig engagieren kann und damit die Demokratie und den Zusammenhalt stärkt. Gemeinsinn und Solidarität ist eine Haltung, die durch positive Erfahrungen entsteht und nicht zur Pflicht erklärt werden kann. Wer Zusammenhalt in der Gesellschaft möchte, darf an der Förderung gesellschaftlichen Engagements nicht sparen“ fordert Steffi Schünemann, Vorständin im AWO Landesverband Sachsen-Anhalt e.V.
„Es wäre ein schwerer Rückschlag, der gerade die jungen Menschen in Sachsen-Anhalt treffen würde, die zukünftig weniger Möglichkeiten auf einen Freiwilligendienst haben werden. Damit gehen ihnen wichtige Chancen verloren. Zudem ist es auch ein Verlust für die sozialen Einrichtungen und die Kolleginnen und Kollegen, die durch die Freiwilligendienstleistenden unterstützt werden“ erklärt Tom Bruchholz, Geschäftsführer des Landesjugendwerkes als Träger der Freiwilligendienste.
Stimmen von Freiwilligen
Chantal Pape absolvierte ihren Bundesfreiwilligendienst im AWO Fachkrankenhaus Jerichow. Ursprünglich hatte sie eine ganz andere berufliche Laufbahn im Sinn, doch durch ihren Freiwilligendienst entdeckte sie ihre Leidenschaft für die Pflege und Medizin. Seit dem ersten Tag war ihre Praxisanleiterin ihr großes Vorbild, und auch das Team vor Ort nahm sie herzlich auf. Diese positive Erfahrung bestärkte Chantal in ihrem Entschluss, eine Ausbildung zur Pflegefachfrau zu beginnen. Am 1. September dieses Jahres schloss sie diese Ausbildung erfolgreich ab.
Chantal Pape: „Hätte mir jemand vor meinem BFD gesagt, dass ich später in der Pflege arbeiten würde, hätte ich den Kopf geschüttelt. Nach dem Abitur wollte ich ursprünglich zur Bundeswehr gehen und mich zum Notfallsanitäter ausbilden lassen. Doch aufgrund des Corona-Lock-Downs und Kontaktbeschränkungen im Jahr 2020 konnte die Bundeswehr ihre Einstellungstests nur etappenweise durchführen.
Zur Überbrückung bis zu meinem Einstellungstest fing ich ein BFD im AWO FJHK an. Schon schnell merkte ich, dass auch die Pflege sehr interessant für mich ist und mir die Kollegen während der Arbeit ihren Beruf näherbrachten. Da die Medizin mich sowieso schon immer interessierte und auch die Psychologie, war der Gedanke nicht fern eine Ausbildung zur Pflegefachfrau im FKHJ zu beginnen. Nach einem Stationswechsel, um pflegebedürftige Patienten und deren Versorgung kennenzulernen, war es nach Tag 1 um mich geschehen. Ich bekam eine Praxisanleiterin an die Seite gestellt, die mir nicht besser den Umgang mit Patienten und deren Pflege hätte näherbringen können. Auch während meiner Ausbildung war sie mein großes Vorbild und größte Inspiration. Nach diesem 1. Dienst, der so vielseitig und eindrucksvoll war, warf ich den Plan zur Bundeswehr zu gehen über Board.“
Emilie Bublitz leistet derzeit ihr Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) im AWO Fachkrankenhaus Jerichow in der Abteilung für Gerontopsychiatrie. Mit ihrem engagierten Einsatz entlastet sie das Pflegepersonal erheblich und trägt so maßgeblich zum reibungslosen Ablauf des Klinikalltags bei. Täglich sammelt Emilie wertvolle Erfahrungen im Umgang mit älteren Menschen, die an psychischen Erkrankungen leiden. Diese Erfahrungen sind nicht nur von unschätzbarem Wert für ihre zukünftige berufliche Laufbahn im sozialen oder pflegerischen Bereich, sondern fördern auch ihre Empathie, Geduld und ihr Verantwortungsbewusstsein.
Emilie Bublitz: „Ich möchte Menschen unterstützen, die sich in einer schwierigen Lebenslage befinden und der Gesellschaft etwas zurückgeben.“
Chantal Stacy Gluschke, Lilly Marlene Maihöfer und Jannik Buhle (v.l.n.r.) leisten wertvolle Unterstützung in der Kita „Haus des Kindes“ des AWO Kreisverband Salzland e.V. in Calbe. Als Freiwillige im Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) und Bundesfreiwilligendienst (BFD) entlasten sie das pädagogische Personal in allen Bereichen. Der Fachkräftemangel in der frühkindlichen Bildung stellt eine große Herausforderung dar. Freiwillige wie Chantal, Lilly und Jannik tragen dazu bei, die Belastung des Fachpersonals zu verringern, indem sie kleine, aber wichtige Aufgaben übernehmen. Dadurch bleibt die Qualität der Betreuung erhalten, was für die kindliche Entwicklung von besonderer Bedeutung ist.
Chantal Stacy Gluschke: „Werde ich Erzieherin?“,
Lilly Marlene Maihöfer: „Freiwillige entlasten das Personal!“,
Jannik Buhle: „Wir spielen mit euren Kindern!“
Seit September absolviert Leni Nürnberger ihr Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) in der Kita „Pünktchen“ des AWO Kreisverband Altmark e.V. in Kalbe (Milde). Täglich wächst sie in ihrer Rolle und entwickelt dabei wertvolle Fähigkeiten wie Selbstständigkeit, Geduld und Aufmerksamkeit. Durch ihre FSJ-Stelle hat Leni die Möglichkeit, ihre Kompetenzen zu erweitern und das pädagogische Berufsfeld intensiv kennenzulernen.
Leni Nürnberger: „Hallo, ich bin Leni Nürnberger und habe im September in der Kita Pünktchen mein FSJ begonnen. Da ich noch nicht genau weiß, was ich später beruflich machen möchte, kann ich mich im Laufe des FSJs beruflich orientieren und herausfinden, ob ich später im sozialen Beruf tätig werden möchte. Zudem kann ich meine ersten praktischen Erfahrungen sammeln und dies schafft Vorteile für meinen weiteren beruflichen Werdegang. Außerdem habe ich auch die Möglichkeit, mich persönlich weiterzuentwickeln dadurch das ich durch zugeteilte Aufgaben lerne geduldiger, selbständiger und aufmerksamer zu werden. Persönlich finde ich das für mich und auch für zukünftige FSJler*innen dieses Jahr eine positive Bereicherung darstellt.“
Sie ist eine unverzichtbare Trösterin, Anleiterin und Begleiterin für die Kinder. Weder die Kita-Kinder noch das Team können sich den Alltag ohne sie vorstellen: „Die FSJler sind im jedem Jahr junge Menschen, die sich Orientierung für ihre Zukunft wünschen und sie suchen. Sie unterstützen uns in unserer Arbeit und leisten wichtige Tätigkeiten. Oft entsteht aus dem Jahr der Wunsch, selbst pädagogisch tätig zu werden und es schließt sich entweder eine Berufsausbildung oder ein Studium an. Durch die vielen unterschiedlichen individuellen Bedürfnisse der Kinder sind unsere FSJler nicht nur unterstützend tätig, oft Tröster, Anleiter, Begleiter. Mit dem Freiwilligendienst sind wir mit einer Person besser aufgestellt, die die den Kindern zugutekommt, gleichzeitig haben die Kinder junge Menschen um sich. Wir sind dadurch auch in der Lage, junge Menschen mit ihren Bedürfnissen kennenzulernen.“, so die Kita Leitung, Kirstin Müller.
Florian Götz leistet sein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) im Kinder-, Jugend- und Familienzentrum „Dornröschen in Halle“ des AWO Regionalverband Halle-Merseburg e.V. in Halle. Familienzentren wie „Dornröschen“ sind wichtige Anlaufstellen für Familien in verschiedenen Lebenssituationen. Sie bieten Unterstützung bei Erziehungsfragen, familiären Problemen und der Integration in die Gemeinschaft.
Freiwillige wie Florian tragen dazu bei, eine einladende und unterstützende Atmosphäre zu schaffen. Sie stehen Eltern und Kindern als zusätzliche Ansprechpartner zur Verfügung und bieten bei Bedarf Hilfe an. Das Team vor Ort ist dankbar für die wertvolle Unterstützung, die Florian bietet.
Florian Götz: „Freiwilligendienste schaffen Orientierung! Kürzungen für die Freiwilligendienste schaffen Orientierungslosigkeit!“
Dank ihrer aufgeschlossenen Art fand Emelie Möller schnell einen Platz im Herzen der Kinder im Kinder- und Jugendheim „Haus Achterbahn“ des AWO Kreisverband Salzland e.V. in Schönebeck, wo sie in der stationären Kinder- und Jugendhilfe arbeitet. Durch ihre FSJ-Stelle konnte Emelie ihren Berufswunsch festigen und erhielt wertvolle praktische Einblicke in das pädagogische Berufsfeld. Nun steht für sie fest, dass sie dem Haus Achterbahn erhalten bleiben möchte. Im nächsten Jahr wird sie ein duales Studium beginnen und weiterhin in der Einrichtung tätig sein. Diese Möglichkeit ergab sich erst durch ihr FSJ.
Das gesamte Team, die Klient*innen und Emelie selbst profitieren von dieser wertvollen Erfahrung und freuen sich auf die weitere Zusammenarbeit: „Das ist Emelie Möller – sie macht ihr Freiwilliges Soziales Jahr in der stationären Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung „Haus Achterbahn“ in Schönebeck. Sie begleitet uns auf allen Ausflügen, hilft bei den Hausaufgaben, unterstützt bei der Alltagsbewältigung und nimmt sich die Zeit, mit den Kindern zu spielen. Aufgrund ihrer herzlichen und engagierten Art fand Emelie sehr schnell einen Platz im Herzen der Kinder. Alle sind sich einig: Es ist großartig, eine FSJlerin wie Emelie zu haben! Auch für Emelie war dieses Freiwillige Soziale Jahr bereits sehr gewinnbringend, denn sie erhielt umfassende Einblicke in die stationäre Kinder- und Jugendhilfe und konnte anhand der gesammelten praktischen Erfahrungen für sich herausfinden, wie gut ihr diese Arbeit liegt und so ihren Berufswunsch festigen. Da Emelie alle Achterbahnfahrenden von ihren Qualitäten überzeugen konnte und so zu einem unverzichtbaren Teil der Einrichtung wurde, beginnt sie ab dem Sommersemester 2025 ein berufsbegleitendes Studium der Sozialen Arbeit mit einer Anstellung im „Haus Achterbahn“.
Dieses FSJ stellt beispielhaft dar, dass Freiwilligendienste für alle eine Win-Win-Situation darstellen – für die FSJler*innen, die Klient*innen und die Einrichtungen. Aus diesem Grund bitten wir alle gemeinsam: Nehmt uns nicht unsere FSJler*innen weg!“, so die Einrichtungsleiterin Kathrin Voigt.
Cornelia Stange, Irina Nazarewitsch, Mirko Pöschke, Ahlam Alzayat, Valentina Milbrant, Christian Röseler und Kerstin Henze engagieren sich als Freiwillige bei der Tafel des AWO Kreisverband Salzland e.V. in Schönebeck. Ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) bei der Tafel ist von großer Bedeutung, da es einen wertvollen Beitrag zur Versorgung bedürftiger Menschen leistet, Lebensmittelverschwendung reduziert und zur sozialen Integration beiträgt. Für die Freiwilligen bietet es die Möglichkeit, praktische und soziale Fähigkeiten zu entwickeln, während sie gleichzeitig einen positiven Einfluss auf ihre Gemeinschaft und die Umwelt haben.
„„Der Bundesfreiwilligendienst bietet unseren Freiwilligen die Möglichkeit zur Orientierung. Sie können ihre eigenen Fähigkeiten entdecken und weiterentwickeln. Eine echte Chance.“, so Geschäftsführerin Grimm-Hübner.