Runter von der Schuldenbremse! Resolution des AWO Bundesverbandes

, Berlin

Der AWO Bundesverband verabschiedet Resolution zu Ergebnissen der „Bereinigungssitzung“ des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages.

Resolution des AWO Bundesverbandes zu den Ergebnissen der Haushaltsbereinigung im Deutschen Bundestag ©AWO Bundesverband e.V.

Der AWO Bundesverband verabschiedete am 18. November in der Sitzung des Bundesausschusses der Arbeiterwohlfahrt eine Resolution zu den Ergebnissen der Haushaltsbereinigung im Deutschen Bundestag:
Die Debatte um den Bundeshaushalt 2024 war eine Zäsur für das soziale Fundament in Deutschland. In Zeiten schwerer Krisen, die den Zusammenhalt der Gesellschaft auf eine harte Probe stellen, sollte nach dem Willen von Finanzminister Lindner und Familienministerin Paus dort gespart werden, wo für viele Menschen eine bessere Zukunft gewonnen wird: bei den sozialen Diensten und Einrichtungen. Wir begrüßen ausdrücklich, dass der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages sich dieser Strategie verwehrt und umfangreiche Teile der Kürzungen im sozialen Bereich rückgängig gemacht hat.

Die Richtung, in die sich der Diskurs bewegt, ist dennoch alarmierend. Um eine Sparpolitik durchzusetzen, die jeder rationalen Grundlage entbehrt, bedient sich der Finanzminister ausgerechnet bei den gemeinnützigen Trägern der Freien Wohlfahrtspflege. Wurden Pflegekräfte und Sozialarbeiter*innen in der Corona-Krise noch als „systemrelevant“ gefeiert, sollte ihnen nun in zahlreichen Tätigkeitsfeldern die Perspektive auf eine gute Finanzierung ihrer Arbeit genommen werden. Als Arbeiterwohlfahrt haben wir uns in den letzten Monaten gemeinsam mit dem Bundesjugendwerk der AWO und dem Zukunftsforum Familie geschlossen und mutig dafür eingesetzt, diese Sozialkürzungen zu stoppen und wir hatten in einigen Bereichen wie der Migrationsberatung, den Freiwilligendiensten und der Arbeitsmarkteingliederung Erfolg. Wir stehen auch in Zukunft mit aller Kraft dafür ein, dass in den sozialen Einrichtungen und Diensten nicht das Licht ausgeht!

Die Trendumkehr der neoliberalen Haushaltspolitik der Bundesregierung muss mit mehr Gerechtigkeit auf der Einnahmenseite des Staates beginnen. Wir brauchen endlich eine sozial gerechte Steuerpolitik – mit einer Vermögenssteuer, einer dauerhaften und wirksamen Übergewinnsteuer, der fairen Besteuerung hoher Einkommen und Erbschaften, höheren Grundfreibeträge für Personen mit niedrigem Einkommen, einem Ende der Finanzkriminalität und Steuervermeidung sowie der klimaschädlichen Subventionen. Auch eine einmalige Vermögensabgabe - als solidarischer Beitrag in Zeiten großer Krisen – muss Gegenstand der Diskussionen sein. Die Einführung einer Bürger*innenversicherung muss diesem Paradigmenwechsel auch im Bereich der Sozialversicherung Rechnung tragen und hohe Einkommen stärker an der Finanzierung der öffentlichen Daseinsvorsorge beteiligen. Außerdem ist spätestens heute klar: Die Schuldenbremse war ein historischer Webfehler in der Finanzarchitektur unseres Staates, der endlich korrigiert werden muss.

Was uns der Bundeshaushalt 2024 eindrucksvoll vor Augen führt, ist nicht nur eine falsche politische Prioritätensetzung. Vielmehr wird nun deutlich, dass die Finanzierung zentraler sozialer Aufgaben in der Logik der “Projektförderung” nicht zukunftsfest ist. Migrationsberatung, Freiwilligendienste und andere soziale Strukturen können durch gemeinnützige Träger nicht nachhaltig angeboten werden, wenn diese Jahr für Jahr um ihre Finanzierung bangen müssen. Auch mit Blick auf den Fachkräftemangel ist diese Finanzierungslogik eine große Gefahr: Wenn Mitarbeitende jedes Jahr bis Mitte Dezember bangen müssen, ob sie ab dem 01.01. weiterbeschäftigt werden können, wird die soziale Arbeit zu einer unattraktiven Arbeitgeberin, die Fachkräfte weder halten noch gewinnen kann. Es ist außerdem nicht vermittelbar, dass inflationsbedingte Preissteigerung und höhere Tarifabschlüsse bei Förderprogrammen des Bundes nicht ausgeglichen werden. Wenn der Bund für seine Verwaltung Tarifsteigerungen zustimmt, muss er diese auch den aus Bundesmitteln geförderten gemeinnützigen Trägern zugestehen.

An die Stelle von einjährigen Förderzeiträumen müssen langfristige, regelhafte Finanzierungsmodelle treten. Es muss heute Klarheit darüber geben, mit wie vielen Ressourcen ein gemeinnütziger Träger in fünf Jahren rechnen kann – anderenfalls werden Investitionen gebremst, Fachkräfte vergrault und Klient*innen dem Risiko eines Strukturverlusts ausgesetzt. Als Arbeiterwohlfahrt werden wir diese Botschaft mit viel Nachdruck kommunizieren und uns für sie einsetzen. Um den bereits entstandenen Schaden im nächsten Jahr zu begrenzen, appellieren wir an Verantwortliche auf allen Verwaltungsebenen, einen gemeinsamen Kraftakt zu wagen. Bund, Länder und Kommunen müssen sich schnell an einen Tisch setzen und gemeinsam prüfen, wie sie den Verlust oder die Einschränkung von sozialen Angeboten noch abwenden können. Als Arbeiterwohlfahrt stehen wir bereit, eine solche konzertierte Aktion kritisch und konstruktiv zu begleiten und unsere Expertise aus mehr als 100 Jahren sozialer Arbeit im Sinne unserer Klient*innen und der gesamten Gesellschaft einzubringen.

Für die Zeit danach muss klar sein: Von der Schuldenbremse profitieren Finanzmärkte, nicht Menschen. Es wird mit der Schuldenbremse und ohne mehr Verteilungsgerechtigkeit keinen zukunftsfähigen Sozialstaat geben!

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