... und plötzlich überschuldet - Aktionswoche Schuldnerberatung
Sachsen-Anhalt ist am stärksten von der Überschuldung betroffen

Von der Verschuldung in die Überschuldung ist es manchmal nur ein kleiner Schritt und in Zeiten von rasant steigenden Preisen für Energie und Lebensmittel und großer Unsicherheit in der Wirtschaft ist dieser schnell getan – mit verheerenden Folgen. Darauf macht die AWO in Sachsen-Anhalt anlässlich der Aktionswoche der Schuldnerberatung (30.05. bis 03.06.2022) aufmerksam und fordert ein Recht auf Schuldnerberatung für alle sowie einen Ausbau der Schuldner- und Insolvenzberatung. Insbesondere Menschen, die bereits am finanziellen Limit sind, die von einer kleinen Rente leben, die auf staatliche Leistungen angewiesen sind, schauen mit großen Sorgen in die Zukunft. Bereits jetzt ist der Einkauf im Supermarkt am Ende des Monats eine schwer zu überwindende Hürde. Anschreiben von Energieanbietern, von Vermieter*innen und Wohnungsverwaltungen, die auf die künftig steigenden Nebenkostenzahlungen hinweisen, machen ratlos.
Dies spüren auch die Schuldnerberatungsstellen in unserem Land. „Wenn ich aus meinem Fenster schaue, sehe ich lange Schlangen an den Tafeln. Die Tafeln hier waren schon immer gut besucht, doch das, was ich jetzt hier tagtäglich sehe, übertrifft das bei Weitem“, so Jens Kutzler, Schuldnerberater der Schuldner- und Insolvenzberatungsstelle des AWO Kreisverbandes Magdeburg. "Die Preissteigerungen kommen jetzt schon bei den Menschen an. Auch bei den Ratsuchenden nehmen wir wahr, dass die Existenzsorgen stark zunehmen.“
Anja Walter, Beraterin bei der Schuldner- und Insolvenzberatungsstelle des AWO Kreisverbands Börde, berichtet: „Seit Beginn des Jahres machen wir in besonderen Maße jede Klientin, jeden Klienten auf die steigenden Energiekosten aufmerksam, doch diese haben häufig schon ohne diese steigenden Kosten keine Luft für weitere Einsparungen.“
Sachsen-Anhalt ist noch immer ein Bundesland, das am stärksten von Überschuldung betroffen ist. Der Bedarf an Schuldnerberatung ist in Sachsen-Anhalt bereits riesig. Die Pandemie hat die Lage noch verschlimmert und nun werden viele weitere Menschen mit Beratungsbedarf hinzukommen.
Wartezeiten von mehreren Wochen sind nicht tragbar
Schon jetzt haben viele Schuldnerberatungsstellen lange Wartelisten für Beratungstermine und diese Nachfrage wird weiter steigen. „Um den Weg aus der Überschuldung zu finden, sind die Menschen in dieser Situation auf kompetente Unterstützung angewiesen,“, so Steffi Schünemann, Vorständin Verband und Sozialpolitik des AWO Landesverbandes Sachsen-Anhalt. "Wer sich Hilfe holt, hat bessere Chancen, aus der Überschuldung zu kommen. Dafür sind die Schuldner- und Insolvenzberatungen da. Sie zeigen Wege auf, um die eigene finanzielle Situation zu stabilisieren und nachhaltig zu verbessern. Die Mitarbeitenden in den Beratungsstellen brauchen dringend Verstärkung. Wartezeiten von mehreren Wochen sind einfach nicht tragbar.“
Leider haben nicht alle Menschen ein Recht auf eine kostenfreie Beratung - Soloselbständige, Rentner*innen und Student*innen etwa sind davon ausgeschlossen. Anlässlich der Aktionswoche Schuldnerberatung 2022 der Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände fordert die AWO in Sachsen-Anhalt: Wir brauchen ein Recht auf Schuldnerberatung für alle und einen konsequenten Ausbau der Beratungsstellen mit einer stabilen Finanzierung. Mit der passenden Hilfe können Existenzen gesichert werden. Das Beratungsangebot muss dringend erhöht werden.
Schau Hin. Pack an! gibt Betroffenen eine Stimme
Auf der Kampagne-Seite „SCHAU HIN. PACK AN! Für soziale Gerechtigkeit" hat die AWO in Sachsen-Anhalt den Menschen hinter den Schulden und auch den Berater*innen der Schuldnerberatungsstellen eine Stimme gegeben. Die Menschen haben uns erzählt, wie sie in die Schuldenfalle geraten sind und welche Wege sie gegangen sind, um dieser wieder zu entkommen. Und es zeigt sich ganz eindeutig: Verschuldung schränkt die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben erheblich ein und Verschuldung hat nichts mit Schuld zu tun.
» Mehr zum Thema erfahren auf unserer Kampagnen-Website
Hintergrund zur Aktionswoche Schuldnerberatung
Die Arbeitsgemeinschaft der Schuldnerberatungsstellen der Verbände (AG SBV) veranstaltet die Aktionswoche. Die AG SBV vertritt etwa 1.400 gemeinnützige Schuldnerberatungsstellen in Deutschland, in Trägerschaft der Verbraucher- und Wohlfahrtsverbände oder der Kommunen bzw. als Mitglied in einem der Verbände (Deutscher Caritasverband, Diakonie Deutschland, Arbeiterwohlfahrt Bundesverband, Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband, Deutsches Rotes Kreuz, Verbraucherzentralen). Im Gegensatz zu gewerblichen Anbietern ist die gemeinnützige soziale Schuldnerberatung für die überschuldeten Menschen kostenfrei. Die gemeinnützige Schuldnerberatung bundesweit uneinheitlich finanziert und chronisch unterfinanziert. Bereits vor der Corona-Krise konnten nur zehn bis 15 Prozent der überschuldeten Menschen beraten werden.
» Hier gibt es das Forderungspapier der Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände
Weitere Beiträge, die Sie interessieren könnten
In Sachsen-Anhalt ist jedes vierte Kind von Armut bedroht – Kindergrundsicherung muss Beitrag zur Armutsvermeidung leisten!
In Deutschland stagnieren die Armutsgefährdungsquoten für Kinder seit Jahren auf einem konstant hohen Niveau von circa 20 Prozent. In Sachsen-Anhalt sind rund 25 Prozent der unter 18-Jährigen von Armut bedroht, damit befinden wir uns im Bundesvergleich auf dem zweiten Platz. Gemeinsam mit dem Bündnis hat die AWO Erwartungen an eine echte Kindergrundsicherung formuliert.
Offener Brief an Sachsen-Anhalts Bildungsministerin: Schulsozialarbeit in Sachsen-Anhalt dauerhaft sicherstellen
In einem Offenen Brief fordern die AWO Sachsen-Anhalt, das Landesjugendwerk in Sachsen-Anhalt, der Landeseltern- und der Landesschülerrat das Bildungsministerium des Landes Sachsen-Anhalt auf, die Schulsozialarbeit dauerhaft zu sichern und den Einstieg in ein eigenes Landesprogramm gezielt voran zu treiben.